Uraufführung am 24.02.2022

Die alte Frau und der Fluß

von Ismail Fahd Ismail
Dramatisierung des gleichnamigen Romans von Dieter Nelle

Regie: Dieter Nelle
Bühne und Kostüme: Stefan Morgenstern
Mit Schirin Brendel, Axel Brauch, Irfan Kars, Udo Rau, Christopher Wittkopp

Umm Kasim ist eine starrsinnige, starke Frau; sie alt zu nennen eigentlich eine Frechheit. Bei Ausbruch des Krieges zwischen dem Iran und dem Irak wird sie mit ihrer Familie aus dem Grenzgebiet vertrieben. Auf dem Weg in eine neue Heimat stirbt ihr Mann und kann nur notdürftig begraben werden. Als die übrige Familie sich in einem Dorf nahe Basra im Irak niederlässt, bleibt Umm Kasim einsam und beschließt nach einiger Zeit, die sterblichen Überreste ihres Mannes auszugraben und in ihrer Heimatstadt zu beerdigen. Zusammen mit ihrem Esel Glückshuf macht sie sich auf.

 

Als sie mit dem Knochenbündel ihres Mannes in ihrem Dorf ankommt, muss sie bestürzt feststellen, dass das ganze Land ausgetrocknet und verdorrt ist. Es ist Kriegsgebiet, nur Soldaten leben hier und alles was einmal grün und üppig bewachsen war, ist nun trist und dürr. Das Militär hat das Land von der Wasserzufuhr abgetrennt und trocken gelegt..

Da erscheint ihr in der Nacht ihr Mann und fordert sie auf, etwas dagegen zu tun. Zu allem entschlossen macht sich Umm Kasim ans Werk – zwischen den Fronten, beherzt und mutig.

Der trickreiche Kampf einer Frau mitten im Kriegsgebiet beruht auf wahren Ereignissen, die Ismail Fahd Ismail in seinem Roman eindrücklich beschreibt.

Verlag: Schiler & Mücke GbR

Kriegsdrama im Forum Theater

Erschreckend aktuell: Welchen Platz hat Menschlichkeit in der Logik des Krieges? „Die alte Frau und der Fluss“ im Forum Theater beantwortet diese Frage mit eindrucksvollen Bildern.

Von Sabine Fischer

Und plötzlich blüht der schwarze Bühnenboden leuchtend grün: Wo eben noch dunkles Nichts war, sprießen jetzt Pflanzen. Mit dieser Metapher setzt „Die alte Frau und der Fluss“ ein Statement für die Kraft Menschlichkeit mitten im Krieg – ein Thema, das mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine mit einem Mal erschreckend aktuell wird. Das Stück, das im Forum Theater seine Premiere feierte, basiert auf dem gleichnamigen Roman des arabischen Autors Ismail Fahd Ismail. Darin erzählt er die Geschichte einer Frau, die auf eigene Faust ins irakisch-iranische Grenzgebiet zurückkehrt, um in der verlassenen Heimat die Überreste ihres Ehemanns beizusetzen. Allein: ihr Haus gehört inzwischen zur militärischen Sperrzone. Denn das Land befindet sich mitten im Krieg gegen den Iran. Gegen alle Vernunft entscheidet sie sich dennoch zu bleiben – und pflanzt daraufhin nicht nur einen Gemüsegarten, sondern eine Spur Menschlichkeit mitten in die raue Logik des Krieges.

Einschläge erschüttern den Raum

Für dieses Spannungsfeld findet Dieter Nelles Bühnenfassung teils starke Bilder. Während der zwei Stunden Laufzeit holt er den Horror des Krieges immer wieder wirksam auf die Bühne. Schwer atmend kauern sich Soldaten, die man eben noch als Individuen lieb gewonnen hat, dann hinter Mauervorsprüngen. Einschläge erschüttern den Raum. Grelle Explosionen zucken in der Dunkelheit. Der Schrecken des Angriffs wirkt unangenehm nah.

Auch die naive Nahbarkeit der Protagonistin Umm Kasim (Schirin Brendel) wird in Nelles Inszenierung zum eindrücklichen Stilmittel. Mit ihrem Wunsch, die alte Heimat wieder aufzubauen, steht sie der kalten Funktionsweise des Kriegsregimes gegenüber – und hebelt sie dabei immer effektiver aus. Aus Soldaten werden wieder Menschen mit Geschichten. Aus starren Befehlsstrukturen reflektierte Anpassungen. Aus einem öden Strich wieder fruchtbares Land.

Mit großen Augen

Dennoch schreckt die Inszenierung letztlich davor zurück, sich vom Format der Romanvorlage zu emanzipieren. So werden auf der Bühne ganze Erzählpassagen aus Ismail Fahd Ismails Roman schlicht rezitiert, während die Figuren mit großen Augen auf der Bühne stehen – ganz so, als hörten sie die wunderliche Geschichte gerade selbst zum ersten Mal. Dabei hätte die Inszenierung durchaus das Potenzial gehabt, ihre Geschichte zu zeigen, statt sie über weite Strecken nur vorzulesen. StZ/StN 25.02.2022