Premiere am 10. Februar 2018

Event

Von John Clancy

Mit: Michael Ransburg
Regie: Dieter Nelle
Ausstattung: Birgit Holzwarth

Ausgezeichnet mit dem 1. Preis beim Monospektakel-Festival 2019

90 Minuten eine abenteuerliche Nachhilfestunde in Theater-Erkenntnis: Was passiert eigentlich in dieser seit der Antike jeden Abend neuen Wunderkiste?

Was tut der Darsteller, wenn er die Bühne betritt für „The Event“, für das Ereignis, das das Theater ist? In welchem Verhältnis steht er zum Text, zu den Worten, die er spricht, zu den Gedanken, die sein Text transportiert oder heraufbeschwört? Was tut er konkret? Was abstrakt? Ist er wirklich er, selbst wenn er nur lächelt? Was wird aus seiner eigenen Idee, zum Beispiel einer Handbewegung, wenn sie die Zustimmung des Regisseurs gefunden hat und nun jeden Abend wiederholt wird? Kopiert er jetzt nur noch sich selbst? Was macht das mit ihm? Wo bleibt das eigene Ich? Gibt’s das überhaupt? Warum verändert sich alles im Raum, jeder Gedanke, jedes Gefühl, bloß weil der Techniker einen Knopf drückt und einen Schalter umlegt: Licht ein, Licht aus? Und was soll der Stuhl hier – was tut das Requisit?

Wie erholsam ist Theaterschlaf?

Fragen über Fragen, und noch lange kein Ende – wer wir sind, die „Fremden“ in Clancys Text? Warum sind wir da? Was wollen wir vom und im Theater? Unterhalten werden, gut, ein bisschen Mitdenken, auch gut – aber wie erholsam ist Theaterschlaf? Und was hätten wir sonst noch tun können an diesem Abend? Spezialfrage zwischendrin: Warum glauben wir eigentlich, was uns x-beliebige Profi-Zuschauer, meist übellaunige, durch Überfütterung gelangweilte Damen und Herren, über das Theater erzählen am Tag danach, in der Zeitung, im Radio , im Internet?

Alles Theorie? Nein. Alles Praxis bei Clancy – in einem Gipfelsturm der intelligenten Selbstreflexion hinterfragen beide jede Sekunde, jeden Augen-Blick, im Theaterprozess. Michael Ransburg ist in diesem Nachdenken des Theaters über sich selber der gefährliche Clown, Gesten und Bewegungen kann er ein- und ausschalten wie der Techniker das Licht – nichts ist ihm zu glauben, aber alles ist wahr.

»Auch Götter wollen lieben

Von Cord Beintmann

„Auch der Olymp ist öde ohne Liebe.“ Klar und nachvollziehbar hat Karin Eppler Kleists „Amphitryon“ im Stuttgarter Forum-Theater mit sicherer Hand in einem ruhigen Tempo inszeniert.

Michael Ransburg als Jupiter, Schirin Brendel als Alkmene 

Stuttgart – Vier große Wände, die wie abstrakte Gemälde bemalt sind, drehen sich im Forum-Theater um Achsen, die von der Bühne zur Decke gehen. So werden immer wieder neue Raumvarianten geschaffen (Ausstattung: Birgit Holzwarth). Mehr bedarf es an Bühnengestaltung nicht, denn Kleists Komödie „Amphitryon“, die jetzt Premiere hatte, lebt von ihrer Sprache und den gewaltigen Spannungen zwischen sechs Personen, zwei davon sind als Gott beziehungsweise Götterbote tätig, dadurch entstehen Probleme.

Der thebanische Feldherr Amphitryon kehrt als siegreicher Feldherr zu seiner Frau Alkmene (Schirin Brendel) zurück. Vorher aber besteigt Chefgott Jupiter (stets selbstgewiss grinsend: Michael Ransburg) in der Gestalt Amphitryons das Ehebett des Paares und beschert Alkmene eine fulminante Liebesnacht. Seine spätere Begründung: „Auch der Olymp ist öde ohne Liebe.“ Als der reale Gatte auftaucht, erfährt er, dass er schon in der Nacht dagewesen sein soll. Damit beginnt ein irrwitziges Verwirrspiel, das amüsant und von bewegender Ernsthaftigkeit zugleich ist.

Psychologisch interessant und überraschend modern

Jupiter wird begleitet von Merkur (kalt-diabolisch: Jens Woggon). Dieser wiederum gibt sich als Sosias, Amphitryons Diener, aus. Sosias’ Frau Charis (selbstbewusst: Martina Guse) ist enttäuscht, dass der falsche Sosias sie nicht begehrt. Der echte Sosias, den Martin König berührend als aufrichtigen, aber ständig gedemütigten Menschen spielt, kann nicht begreifen, dass er nicht Sosias sein soll. Identität funktioniert nur, wenn sie auch von anderen anerkannt wird.

Kleists Komödie ist reine Fiktion, realistisch ist da nichts, aber psychologisch interessant und überraschend modern. Alkmene, befragt, wen sie vorziehe, Gott oder Gatten, entscheidet sich für Jupiter, also für den „Gatten plus“, eine Idealversion des realen Amphitryons. Wer bin ich und was heißt das genau, und warum liebe ich eine Person? Solche Fragen sind in Kleists Stück, verborgen. Udo Rau spielt den Amphitryon richtig spannend als ganz von der Absurdität seiner Identitätszerstörung Überwältigten.

Kleists Sprache beginnt zu leuchten

Reines, wundervoll bildhaftes Theater ist Kleists Stück. Es ist nicht illusionistisch angelegt, sondern als kühle Versuchsanordnung, denn Jupiter und Amphitryon, für die Zuschauer deutlich als verschiedene Schauspieler erkennbar, sehen für die Figuren des Stücks absolut gleich aus. Klar und nachvollziehbar hat Karin Eppler Kleists Stück mit sicherer Hand in einem ruhigen Tempo inszeniert. Und die Akteure lassen Kleists zweihundert Jahre alte Sprache leuchten, die ganz problemlos funktioniert, locker-fließend gesprochen wird.«   Stuttgarter Zeitung 14.10.18