Premiere am 06. Oktober 2022

Momentum 

Von Lot Vekemans

Regie: Dieter Nelle

Bühne und Kostüme: Maria Martinez Peña

Mit Schirin Brendel, Hannah Jasna Hess, Paulina Pawlik, Stefan Maaß, Udo Rau

Im Zentrum des Stückes von Lot Vekemans stehen Meinrad und Ebba Hofmann, ein Politiker-Ehepaar. Sie ist die beliebte First Lady, er Parteivorsitzender und Präsident eines großen westlichen Staates. Lange Zeit lief alles gut, ein liberales Paar, voller Visionen und politischer Durchsetzungskraft.

Sie stützt seit Jahren ihren Mann, der jetzt akut von Depressionen geplagt unter der Last seines Amtes zusammenzubrechen droht. Er hat Fehler gemacht, seine Umfrage werte sind kritisch. Meinrad und Ebba scheinen das erste Mal ihre gemeinsame Vision verloren zu haben und sich fremd gegenüber zu stehen. Und nun steht auch noch die 50-Jahr-Feier der Partei an.

Meinrads Spin-Doktor und engster Berater Dieter Seeger, der Ebba heimlich liebt, empfiehlt, die Feier zu nutzen, damit Ebba eine Rede zugunsten Meinrads hält – und der selbst soll schweigen. Aber wie soll sie das hinbekommen, sie, die ebenso abgekämpft und aus gelaugt ist wie er und mit ihren eigenen inneren Dämonen kämpft, denn plötzlich erscheint ihr ihr totes Kind, das ihr Leben und ihre Entscheidungen gnadenlos infrage stellt.
Und dann passiert das Unvorstellbare und plötzlich tut sich eine neue Chance auf …

Verlag: Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH

Eine Frau in Rot sieht plötzlich rot

Premiere am Forum-Theater: Der Intendant Dieter Nelle hat Lot Vekemans „Momentum“ inszeniert.

Julia Lutzeyer /  STZ, STN 08.10.2022

»Klare Kante zeigen, Position beziehen: Schon das Bühnenbild signalisiert Entschlossenheit. Grün auf der linken, rot auf der rechten Seite teilt es das Interieur in eine Privatsphäre und in ein machtpolitisches Handlungsfeld. Wo sich Schirin Brendel als ebenso kontrollsüchtige wie machtwillige Politikergattin Ebba und die vier weiteren Figuren gerade befinden, ist in diesem Psychodrama niemals zufällig.

In packender Genauigkeit hat Dieter Nelle, neuer Intendant des Forum-Theaters, das 2018 uraufgeführte Stück „Momentum“ der niederländischen Dramatikerin Lot Vekemans inszeniert. Ein „Quälgeist“ (strahlend frisch: Hannah Jasna Hess) wird hier zum Motor einer erzwungenen Auseinandersetzung mit einem traumatischen Erlebnis und hilft Ebba letztlich, für ihre eigenen Bedürfnisse einzustehen. Die Premiere war am Donnerstag.

Da ist eine Frau, die weiß, was sie will, und doch nur im Namen eines anderen spricht. Ihr Plädoyer soll ihrem Mann zur Wiederwahl verhelfen. Während sich Ebbas Rede als Probe erweist, ist ihr Meinrad real angezählt. Nicht, weil er als Politiker versagt hat, sondern weil er sich nicht mehr unter Kontrolle hat. Wie er, eben noch weinerlich, anlasslos aus der Haut fährt und bei Kleinigkeiten die Nerven verliert, das macht Stefan Maaß in der Rolle des angezählten Alphamannes vor. Ebba, ebenso standfest wie unerbittlich, lässt keine Schwäche gelten. Als sie von der Depression ihres Mannes erfährt, sieht die Frau in Rot rot.

„Momentum“ verhandelt aber nicht nur die Dynamik einer Ehe, sondern stellt auch die Politik und ihre Ideale infrage. Da gibt es den Spindoktor Dieter, der Meinrads Schwäche öffentlich ausschlachten will und längst auf Ebbas Potenzial setzt. Udo Rau gibt ihn schmierig, aber selbst beim sexuellen Übergriff wenig abgründig. Und da gibt es die junge Dichterin, die gar nicht daran denkt, die Welt zu retten, sich aber schon fragt, warum der Baum vor ihrem Fenster verschwand. Schön, wie Paulina Pawlik solche Nebensächlichkeiten für einen Moment bedeutsam werden lässt.«