Cäsar unter Bäumen
»Mit dem Stück „Wald“ zeigt das Forum Theater ein munter kurzweiliges Stück über das Mensch-Natur-Verhältnis – inklusive Auftritt von Bambi.
Der Frühling steht vor der Tür und weshalb sollte es nicht auch im Theatersaal von überall her sprießen? Es ist der Wald, der die Stadt übernommen hat. Doch wie baumfreundlich ist der Mensch? Lässt er sich von Buche, Farn oder Efeu verdrängen? Eine Plage mitten in Europa, bestehend aus Bäumen und Pflanzen; zwischendurch ein Reh, das dem Ruf des Waldes folgt: Vier Protagonisten stehen vor einer Waldszenerie und laden ein, sich verdrängen zu lassen.
Im Stück „Wald“ der österreichischen Autorin Miriam Lesch, das am Donnerstag im Forum Theater Premiere feierte, ist das möglich – allerlei absurde Momente, zwischen Humor und existenziellen Fragen. Schirin Brendel mimt eine charmant standfeste Buche, die es sich auf einem Balkon bequem gemacht hat. Scheinbar ein guter Ort zum Gedeihen. Fotosynthese, Glukoseaufnahme, der Drang nach Wasser – mit ihr drängt Darstellerin Britta Scheerer feinsprossig als Birkenröhrling, dem gemeinen Birkenpilz, nach den wertvollen Substanzen unserer Erde. Wen interessieren da noch die Befindlichkeiten der Stadtmenschen?
Stefan Maaß überzeugt da nicht nur als Person A. und Balkonbesitzer, sondern im zweiten Akt auch als Cäsar, der wohl noch immer auf der Suche nach seinem Imperium ist. Begleitet wird er von Plinius (auch Britta Scheerer), der garstig ignorant durch diese schöne neue Naturwelt wandelt.
Regisseur Dieter Nelle ist ein munter kurzweiliges Wechselspiel gelungen, das die Protagonisten in kurzer Zeit in verschiedene Rollen schlüpfen lässt. Wenn Mariam Jincharadze sich dann noch vom zart erschrockenen Bambi zur adligen Waldbesitzerin Gräfin E. und auch noch zum Pilz verwandelt, ist die Runde komplett. Ein Zilpzalp ist in der Ferne zu hören, eine Harfe, dann Trommeln; Schattenspiele auf der Bühne werden waldgrün, werden bunt.
„Eine Buche auf dem Balkon muss kein Problem sein“, sagt die misogyne Forstfacharbeiterin (Schirin Brendel), die mehr Lohn fordert, in einer immer unwegsameren Welt. Cäsar und Plinius streiten sich wie ein altes Ehepaar, und eine Buche macht, was eine Buche macht: Fotosynthese. Plinius – gemeint ist der Ältere, von dem die antike Schrift „Naturalis historia“ stammt – wittert in der Waldwucherung gar eine Verschwörungstheorie. Zwischen Humusschicht, Laub und Käfern: die Pflanzen scheinen uns weit überlegen. „Glauben Sie wirklich, dass der Wald einen Plan hat?“, fragt die Gräfin.«
„Menschen machen nur einen winzigen Prozentsatz der lebendigen Masse auf diesem Planeten aus. Die Pflanzen, vorneweg Bäume, sind uns an Zahlen, an Verbündeten weit überlegen“, sagt Cäsar. Das könnte vielleicht beruhigen. Vielleicht ist der Wald aber auch genug? (Swantje Kubillus, Stuttgarter Zeitung/Nachrichten, 28.02.2025